Nachhaltiger Tourismus im Berchtesgadener Land

Riesige Skigebiete, Hotelanlagen und laute Après-Ski-Partys sind in vielen Alpenregionen die Norm. Nicht im Berchtesgadener Land. Die ländliche Region hat viele touristische Entwicklungen verpasst. Jetzt werden die Vorteile geerntet.

Man hört nur das leichte Rauschen des Wimbach, der Vogelgezwitscher und der Pferdehufe im Schnee. Die Berge der Alpen erheben sich majestätisch um das kleine Dorf Ramsau an der südöstlichen Spitze Bayerns. „Beeeetziiiiii Beeeeetziii Beeeeetz, kimm, kimm!“ Es klingelt durch das Tal – und knapp 40 Schafe drängen sich an den Zaun, der das Gehege umgibt, in Richtung Renate Aschauer.

Ohne sie wären diese Tiere nicht mehr hier. Das alpine Steinschaf war fast ausgestorben. Jetzt weidet Aschauers Herde im Sommer wieder auf den Bergwiesen von Ramsau und wird nur von ihren drei Schäferhunden beobachtet, fast so wie vor Jahrhunderten – eine alpine Idylle aus einem Bilderbuch.

Ein Sessellift zum Abbremsen

In Wirklichkeit ist diese Idylle selten geworden. Autobahnen mit Kunstschnee, riesige Liftanlagen und Après-Ski-Chalets machen viele Dörfer in den Alpen zu höllischen Urlaubsschwerpunkten mit zehntausenden Besuchern pro Jahr.

Vor Jahrzehnten wollte Ramsau auch eine Seilbahn auf den Watzmann, Deutschlands markantesten Berggipfel. In den späten 70er Jahren, mit der Errichtung des Nationalparks, wurden die Pläne jedoch endgültig aufgehoben. „Das ist ein Glück“, sagt Fritz Rasp, Leiter der Touristeninformation in Ramsau, „weil uns das der Natur so viel näher kommt, und für uns heißt das Spiel.“

Anstelle großer konkreter touristischer Entwicklungen gibt es hier hauptsächlich kleine Hotels und Gästehäuser. Statt sündhaft teure Schneekanonen zu installieren, züchten die Einheimischen seltene Schafe. Anstelle von sechzehn Passagiergondeln können die Gäste direkt aus dem Bett steigen und die Langlaufloipen erkunden. Ramsau hat die höchste Konzentration an Bergführern in Deutschland. Als Tourismusdirektor hat es Fritz Rasp schwer, alle Touren in den Broschüren für Besucher zu finden.

Im Gegensatz dazu ist das Downhill-Skigebiet in Hochschwarzeck klein und laut Rasp fährt der Sessellift „so langsam, dass unsere schnellsten Bergsteiger am Gipfel sind, bevor der Lift ankommt“.

Ohne Schnee fährt der Lift herunter. Das ist absichtlich.

2015 wurde Ramsau als erstes Bergsteigerdorf Deutschlands ausgezeichnet. Diese Initiative des österreichischen Alpenvereins verbindet Dörfer, die den Tourismus im Einklang mit der Natur fördern und Traditionen bewahren wollen. Raspa sagt, dass der Titel für Ramsau kein Marketinglabel ist. „Stattdessen wird bestätigt, was wir seit fast dreißig Jahren tun: Mensch und Natur zusammenbringen.“

Das bedeutet aber auch keinen Kunstschnee, weshalb es sich besonders in warmen Wintern kaum lohnt, die Skilifte am Hochschwarzeck zu fahren. Trotzdem nutzt das Mini-Skigebiet keine Beschneiungsmaschinen, sondern fördert die Nutzung von Naturschnee – so die Ramsauer Bewohner.

Berchtesgadener leben gerne langsamer

Das Ramsau-Konzept profitiert von der Tatsache, dass sich die gesamte Region für nachhaltigen Tourismus eingesetzt hat. Seit mehr als 100 Jahren befahren Elektroboote die Gewässer des Königssees. Das Berchtesgadener Land ist ein Biosphärenreservat. Tradition und Handwerk sind groß geschrieben – zum Beispiel in Franz Stangassingers Laden.

Er macht die traditionellen bayerischen Lederhosen als Lederhosen bekannt, genau wie sein Vater und sein Großvater. Die Wartezeit für ein maßgeschneidertes Paar beträgt knapp eineinhalb Jahre. Stangassinger hat jedoch nicht die Absicht, sein Geschäft auszubauen. „Wir sind seit 130 Jahren die gleiche Größe, und das war immer genug. Diese Vorstellung von ständigem Wachstum und Expansion hat für mich keine Zukunft“, sagt er. „Ich denke, es muss eine Zeit geben, wenn Sie sagen:“ Das wird reichen. “

Anfang März können sich Experten aus der ganzen Welt auf einer UN-Bergtourismuskonferenz von Berchtesgaden überzeugen. „Es wird eine gute Visitenkarte für uns“, sagt Brigitte Schlögel, Leiterin der Berchtesgadener Land Tourismus GmbH. „Wir leben hier in der Nähe der Natur. Ich kenne keinen Berchtesgadener, der weder Abfahrten noch Langlaufen, Wandern, Bergsteigen oder Mountainbiken unternimmt. Sie leben diese Nachhaltigkeit.“

 

Die Grenzen der Nachhaltigkeit

Trotzdem ist die Region vor dem Massentourismus nicht gefeit: Im Sommer kommen tausende Tagesausflügler aus München, Österreich, den USA und Asien – wegen der Berge und des weltberühmten Königssees. Staus, illegales Parken und lange Warteschlangen sind die Folge.

In der Folge hat Ramsau die Parkgebühren bereits erhöht. Mit den sogenannten „Gästekarten“ reisen Urlauber kostenlos mit den öffentlichen Verkehrsmitteln des Berchtesgadener Landes. Aber Fritz Rasp sagt, es gibt noch viel zu tun. Es ist oft unmöglich, komplett auf Autos zu verzichten.

Die Experten der Welttourismusorganisation bereisen auch den Landkreis: Sie gehen in das Dokumentationszentrum in Obersalzberg, in das alte Salzwerk in Bad Reichenhall, auf den Jenner-Berg und zum Königssee. Natürlich führt eine Tour ins Bergdorf Ramsau. Das Rehlegg serviert ein Buffet mit lokalen Spezialitäten – darunter auch Lamm von alpinen Steinschafen.

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